CARLOS GHOSN
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JÄNNER/FEBRUAR 2013
wirtschaftsblatt.at
P
EKING – Anfang dieses Monats kündigte die chinesische Regierung eine weite-
re kühne Maßnahme an, um die Verstopfung auf den Straßen und die Kohlendi-
oxidemissionen zu verringern: Die Behörden haben sich zum Ziel gesetzt, 60%
aller Kraftfahrzeugfahrten in Städten auf den öffentlichen Verkehr zu verlagern,
und die Regierung in Peking drängt die Bezirksregierungen, mehr emissionsfreie
und alternative Fahrzeuge zu verwenden. China ist weiterhin der größte Markt für fossil be-
triebene Fahrzeuge, aber es wird immer klarer, dass die Regierung dort vorhat, im Bereich
der sauberen Mobilität Weltmarktführer zu werden. Dabei wird das Land von der Renault-
Nissan-Allianz unterstützt.
Nissan ging 2003 an den chinesischen Markt, als die Konsumenten dort 4,5 Millionen Autos
kauften. Skeptiker meinten damals, Nissan sei in China „zu spät dran“: Der chinesische Markt
schien vollständig gesättigt. Zu der Zeit befand sich der führende Absatzmarkt für Autos in
den Vereinigten Staaten, wo jährlich über 16 Millionen Autos und Lastwagen verkauft wurden.
Was ein Jahrzehnt für einen Unterschied macht: 2012 kauften die chinesischen Konsumenten
schätzungsweise 18 Millionen neue Autos, eine Steigerung von 300%. Das Wachstum des
chinesischen Automobilsektors hat die Skeptiker zum Verstummen gebracht und sogar die
optimistischsten Prognosen von Marktbeobachtern übertroffen. Jetzt hat sich der weltweit
größte Automarkt ein neues Ziel gesetzt: China will die meisten sauberen Autos haben.
Im April hat der Staatsrat, die höchste Verwaltungsbehörde Chinas, Ziele zur Reduktion des
Kohlendioxidausstoßes der Autos des Landes bekannt gegeben. Der Staatsrat sieht bis 2015
die Produktion von 500.000 Fahrzeugen mit alternativen Antrieben vor – einschließlich
Elektrofahrzeugen, Hybridfahrzeugen und Autos mit Brennstoffzellenantrieb – und plant für
2020 eine Produktionskapazität von zwei Millionen Elektrofahrzeugen jährlich. Dann sollen
insgesamt fünf Millionen solcher Autos auf den Straßen des Landes unterwegs sein und durch
etwa 10.000 Ladestationen mit Strom versorgt werden. Wie schon 2003 halten manche
Beobachter die chinesischen Ziele für zu ehrgeizig, da der Markt für saubere Automobile nicht
so schnell wachsen könne. Aber sie könnten sich erneut täuschen.
In der Hoffnung, das Land in einen der führenden Produzenten von Nullemissionsfahrzeugen
zu verwandeln, veranschlagte die chinesische Regierung im Jahr 2011 für die nächsten zehn
Jahre jährlich 1,5 Milliarden Dollar für die Industrie. Es ist zwar Chinas Ziel, im Inland
produzierte Fahrzeuge zu fördern, aber alle führenden Autohersteller weltweit arbeiten mit
lokalen Partnern zusammen, um ihre eigenen Elektrofahrzeugmodelle zu entwickeln und in
China Marktführer zu werden.
Für China gibt es zu Nullemissionsfahrzeugen keine Alternative. Das Land deckt seinen
Energiebedarf zu etwa 70% aus Kohle. 2011 stieg Chinas Energieverbrauch um 9,7% auf 3,7
Milliarden Tonnen Kohlenäquivalent – dies war die stärkste Wachstumsrate seit 2007. China
ist nicht nur der größte Kohleverbraucher der Welt, sondern ist nach den USA auch der
zweitgrößte Ölimporteur – mit über fünf Millionen Barrel täglich im Jahr 2011, aus Saudi-
Arabien, Angola, Iran, Russland und anderen Ländern. Die Abhängigkeit von Kohle und Öl
hat China zum weltweit größten Kohlendioxid-Emittenten gemacht und die Lebensqualität
seiner Bewohner beeinträchtigt.
Tatsächlich liegen 16 der weltweit 20 Städte mit der größten Luftverschmutzung in China.
2012 warnte der chinesische Ärztebund, die Luftverschmutzung könne zur größten
Gesundheitsgefahr des Landes werden, da insbesondere in den Megastädten des Landes die
Anzahl der Fälle von Lungenkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt. Daher unternimmt
die chinesische Regierung jetzt mutige Schritte, um sich von fossilen Brennstoffen zu lösen.
Im August hat China für Projekte sauberer Energie rund 290 Milliarden USD zur Verfügung
gestellt. Die Behörden planen für 2015 einen Anteil erneuerbarer Energien am
Gesamtenergieverbrauch von einem Fünftel. China kann heute 6,2 Gigawatt Solarenergie und
68,3 Gigawatt Windkraft herstellen – das Äquivalent von 50 Kohlekraftwerken – und ist die
Heimat von neun der zehn weltweit größten Solarenergieunternehmen, die gemeinsam 65%
des weltweiten Bedarfs an Solarpaneelen decken.
Gleichzeitig führt China strengere Standards für den Kraftstoffverbrauch ein, als sie in den
Vereinigten Staaten und vielen anderen Ländern bestehen. Spritfresser wurden beispielsweise
mit einer Steuer von 12% belegt. Darüber hinaus wird in China der Kauf von Elektrofahrzeugen
mit jeweils etwa 8.000 USD gefördert. Dies ist eine der weltweit höchsten Subventionen dieser
Art, und sie unterstreicht denWillen der Behörden, Konsumenten und Fuhrparkbesitzer zum
Wechsel zu bewegen. Auch seine öffentlichen Fahrzeuge ersetzt China durch Elektromobile.
In der Stadt Shenzhen im Perlenflusstal fahren 2.350 öffentliche Fahrzeuge mit Strom.
China fördert die Verwendung abgasfreier Elektrofahrzeuge, weil sie „energieagnostisch“ sind
– sie laufen mit jedem Brennstoff, der sowieso in das Stromnetz des Landes eingespeist wird,
einschließlich des wachsenden Anteils erneuerbarer Energien. Während also China die
Solarenergie massiv ausbaut, werden die Elektrofahrzeuge des Landes im Prinzip zu Solarautos
– oder Wind- und Wasserkraftautos, da auch diese Energiequellen immer mehr im Kommen
sind. Wenn Elektroautos den Markt durchdringen, werden sie einen entscheidenden Beitrag
zur Reduktion von Smog in Städten leisten. Der Staatsrat schätzt, das Erreichen der Ziele für
Elektrofahrzeuge werde die Treibhausgasemissionen Chinas um 19% verringern und gleichzeitig
die Abhängigkeit des Landes von importiertem Öl reduzieren – beides sind wichtige
innenpolitische Ziele.
China investiert in seine Zukunft, indem es sowohl seine Bürger als auch die Autoindustrie
dazu anhält, über den Verbrennungsmotor hinauszuwachsen. Die Allianz von Renault und
Nissan hat diese Herausforderung angenommen und freut sich darauf, dem größten
Automobilmarkt der Welt dabei zu helfen, auch zu einem der saubersten Automobilmärkte
zu werden.
Aus dem Englischen von Harald Eckhoff
Copyright: Project Syndicate, 2013
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Das Wachstum des chinesischen
Automobilsektors hat sogar die
optimistischsten Prognosen von
Marktbeobachtern übertroffen.
Die Abhängigkeit von Kohle und Öl
hat China zum weltweit größten
Kohlendioxid-Emittenten gemacht
und die Lebensqualität seiner Bewoh-
ner beeinträchtigt.
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