MUHAMMAD YUNUS
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JÄNNER/FEBRUAR 2013
wirtschaftsblatt.at
D
AHAKA – Die globale Finanzkrise der letzten Jahre hat schwerwiegende Män-
gel des globalen Finanzsystems offenbart. Kreditmärkte, die ursprünglich Un-
ternehmen mit Kapital ausstatten sollten, wurden von einigen Einzelpersonen
und Unternehmen missbraucht, um mit bestimmten Finanzierungsinstru-
menten das eigennützige Ziel unrealistisch hoher Renditen zu erreichen. Das
hat zu großem Leid unter Menschen aus den entwickelten Ländern geführt – man braucht
sich nur die hohen Arbeitslosenzahlen in Ländern wie Spanien und Griechenland anzusehen,
aber auch in den Entwicklungsländern, die keine Rolle in der Krise spielten, sind Millionen
betroffen.
Tatsächlich reflektiert die Hartnäckigkeit vieler sozialer Probleme der Welt unsere kollekti-
ve Fehlinterpretation der Idee von Kapitalismus, die dazu führt, dass Unternehmen einzig und
allein zum Zweck der Gewinnmaximierung geführt werden, und dass Menschen als eindi-
mensionale Geldmaschinen wahrgenommen werden.
In unserem Konzept vom Markt fehlt eine Komponente: das soziale Unternehmen. Ein Sozi-
alunternehmen ist ein Unternehmen, das keine Dividenden ausschüttet und dessen alleiniger
Zweck die Lösung eines bestimmten sozialen oder die Umwelt betreffenden Problems ist. Ak-
tionäre können ihre Eingangsinvestition nach einer bestimmten Zeit zurückbekommen, aber
darüber hinaus erhalten sie nichts. Alle Gewinne gehen zurück in das Unternehmen, um es
zu vergrößern oder um seine Produkte oder Dienstleistungen zu verbessern. Vorstand, Ge-
schäftsleitung und Mitarbeiter des Unternehmens konzentrieren sich auf den Unterneh-
menszweck, nämlich die Lösung des Problems, der Erfolg wird daran gemessen. Die Renta-
bilität dient der Kostendeckung und dem Bedürfnis nach Wachstum, nicht dem Wunsch des
Investors, Geld zu verdienen. In einem Sozialunternehmen sind Unternehmer und Investor
durch den Wunsch motiviert, Gutes zu tun, nicht, gut zu verdienen.
Diese Art Unternehmen hat keinen Platz in unserem wirtschaftlichen Rahmen, nur solche
Unternehmen haben dort einen Platz, die ihren Profit maximieren. Die allgemeine Verbrei-
tung dieser Unternehmen hat zwar wirtschaftliches Wachstum, Jobs undWohlstand gebracht,
uns aber auch die heutigen Krisen in den Bereichen Umwelt, Energie, Nahrungsmittel und Fi-
nanzmarkt beschert, zusätzlich zu einer sich vergrößernden Einkommensungleichheit und
teilweise großer Armut.
Sozialunternehmen sind eine Möglichkeit, ein Gleichgewicht zwischen individueller Gier und
kollektiven Notwendigkeiten zu schaffen. Unternehmen könnten zum Beispiel parallel zu ih-
ren auf Profit ausgerichteten Unternehmen Sozialunternehmen gründen. Jeder Unternehmer
bzw. jedes Unternehmen könnte eine eigene Palette an Sozialunternehmen ins Leben rufen.
Man könnte auch Sozialunternehmensfonds einrichten, um die Ressourcen vieler Investoren
– kleiner, mittlerer und großer – zu bündeln und neue oder bereits existierende Sozialunter-
nehmen mit Kapital auszustatten.
Obwohl die Sozialphilanthropie Einzelner oder ganzer Unternehmen natürlich wichtig ist,
hat sie eine entscheidende Beschränkung. Ein Spendendollar hat nur ein Leben: sobald er aus-
gegeben ist, kommt er nicht wieder zurück. Aber der Dollar eines Sozialunternehmens ist un-
Muhammad Yunus ist Frie-
densnobelpreisträger und
Gründer der Grameen
Bank.
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Revolution der
Sozialunternehmen
In unserem Konzept vom Markt
fehlt das soziale Unternehmen. Diese
Art von Unternehmen hat keinen
Platz in unserem wirtschaftlichen
Rahmen.
Wir können Probleme wie die
Arbeitslosigkeit nicht lösen, wenn
wir zum alten System zurückkehren.