baffin
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Diese Schwierigkeitseinschätzung konnten allerdings weder
Alex noch Thomas teilen: „Gleich in der ersten Seillänge sind wir
sehr überrascht gewesen, weil der Nico und sein Team das Ganze
mit 7c bewertet haben. Für uns fühlte sich das eher nach 8a+ an.“
Zwei volle Grade schwerer! Was hatte das für den Rest der Be-
wertungen zu bedeuten? Und vor allem für die Schlüssellänge,
die man frei geklettert im zehnten Grad vermutete?
war die rechnerische Konsequenz von Thomas. Aber was ein gutes
Team ist, lässt sich nicht von anfänglichen Holprigkeiten aus der
Spur bringen.
Der Asgard bereitete dem Team zweifellos einen kühlen Empfang,
denn allein um die Füße vom Boden zu bekommen, hieß es Dreh-
zahl hochfahren und Vollgas geben – ein klassischer Kaltstart.
Statt Skyhooks kamen die guten, alten Stahlfinger zum Einsatz und
was sie zu fassen bekamen, wurde bedingungslos hergeknüppelt
bis endlich „Stand!“ gebrüllt werden konnte und die Fingerspitzen
langsam begannen aufzutauen. Dass es gleich so hart hergehen
würde, kam für Alex, Thomas und Mario unerwartet, andererseits
ist Baffin nicht Spanien und wer sich hierher aufmacht, sollte in
puncto Unannehmlichkeiten geeicht und entsprechend hart im
Nehmen sein. Der scheinbare Nachteil einer gecancelten Schon-
frist hat aber auch eine gute Seite: Wer von Anfang an herausge-
fordert ist, läuft schneller zur Bestform auf und daraus lässt sich
vor allem mental Kapital schlagen. Auch die nächsten Längen
fühlten sich allesamt härter an, als die Topo glauben machen
wollte. Dank der Einstiegslänge waren die Jungs hinsichtlich
unliebsamer Überraschungen aber entsprechend desensibilisiert,
blieben zuversichtlich und machten sich auch wegen der Schlüs-
selstelle, die weit oben noch vor ihnen lag, keine überflüssigen
Sorgen: Wie´s da oben aussieht, wird man früh genug sehen,
spätestens dann, wenn man vor Ort und Stelle ist. Doch bevor es
etwas zu sehen geben konnte, verabschiedete sich die gute Sicht
und Schlechtwetter hielt Einzug. Für das Team bedeutete das
Rückzug ins Basislager, Karten spielen, Witze erzählen, die man
daheim nicht erzählen darf und vor allem guter Dinge bleiben.
Die Geduld zahlte sich aus, schließlich ließ der Wettergott Gnade
walten, es klarte auf und Alex, Thomas und Mario machten sich
wieder an die Arbeit.
Seillänge um Seillänge wurde geklettert und dann war es soweit:
das Team hing am Stand unter der Schlüssellänge. Von der Crux,
die da oben lauerte, diesen zwei, drei Metern, wussten die drei,
die da am Stand hingen und nach oben ins Ungewisse stierten,
nicht viel. War diese Länge entschlüsselbar und wenn ja, wie
schwer würde sie sein? So schwer wie erwartet, so schwer wie
gehofft, so schwer wie gefürchtet? Und wenn diese Crux nicht
entschlüsselbar, durchschaubar, dechiffrierbar ist? Wenn man
an fünf, sechs, sieben von diesen tausenden Zügen, die es braucht,
um so eine Wand hinaufzuklettern, scheitert? Was dann?
„RISK & REWARD”
„Na sauber, wenn das da
unten 7c sein soll, dann wird
sich die Schlüssellänge sicher
im oberen 8b-Bereich abspielen.“