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bis letzten Juni, zusammen mit Libby Sauter,
Halterin des Rekords an „The Nose“ mit 10 Stun-
den und 40 Minuten. Dann brachen Jes Meiris
und Quinn Brett den Rekord mit 10:19. Die
Huber-Brüder hielten den Männerrekord einst
bei 2:45.
Libby brach sich im Juni bei einem Abstieg in
den Sierras das Bein. Obwohl sie nicht klet-
tern kann, hilft sie bei der Logistik und Planung.
Chantel steht einige Zentimeter über Mayan.
2006 kletterte sie am Denali die „West Rib“ und
fuhr mit Skiern ab.
Mayans Arme sind vom ständigen Klettern auf
harten Routen gut definiert. Chantels Arme
sind vom Gewichtheben in ihrer Hütte in Idaho
mächtig. „Ich trainiere bei Sonnenuntergang in
einem halb offenen Schuppen voller Schnee.
Das ist mein Ding.”
Ich kletterte „The Nose“ zum ersten Mal und
Libby sicherte mich bis ganz oben”, erzählte
sie mir an einem Picknicktisch in Curry Village.
„Ich war schon immer gut, wenn es umAusdauer
ging. Jetzt werde ich das erste Mal testen, ob
mein Gewichthebetraining beim Klettern hilft.
Aussicht auf El Cap und Half Dome
Der Gipfel von El Cap erinnert an eine riesige
Welle, so ähnlich wie „Jaws”, der berühmte
Brecher auf Hawaii. Die Welle ist golden und
mit schwarzen Flechten gesprenkelt. Gewölbte
Risse und Felsrippen ragen über die Kante. Vom
Gipfel sieht das Tal wie ein dunkelgrüner Tep-
pich aus Bäumen aus. Auf dem Half Dome ragt
mittig das sogenannte „Diving Board” über die
breite Felswand hinaus. Von dort sieht man ver-
schiedene Grautöne und in der Mitte der Wand
Gelb undWeißmit einer gebrochenen schwarzen
Linie. In dieser schwarzen Linie kann man das
Gesicht einer weinenden alten Frau erkennen.
Route, Training und Vorbereitung
Tag 1: 19. September,
3:37 Uhr
– Es ist mitten in
der Nacht und auf der Brücke bei El Cap herrscht
Hochbetrieb. Mayan bittet mich in ihrem üb-
lichen leisen Ton, still zu sein, damit sie sich voll
auf ihre Aufgabe konzentrieren kann. Am Fuße
der „Nose” angekommen, sehen wir vier Seile
hängen, ein Zeichen, dass hier einige Teams im
Aufstieg miteinander konkurrieren. 4:34 Uhr –
Die Frauen sind schon im Fels. Von einem Team
120 m über uns hört man gelegentliches Hus-
ten. Von Mayan kommt nur ein Grunzen. Andere
Teams zu überholen, ist schwierig und kostet
Mayan und Chantel wichtige Zeit. In der mond-
losen Nacht kann man Sterne und Stirnlampen
kaum unterscheiden. John Dickey, der Fotograf,
bezeichnet die Lichter als „El-Cap-Sternbilder”.
Nach einigen Stunden Marsch um die Ostseite
von El Cap und dem Aufstieg an Fixseilen, er-
reichen wir das Dach von „The Nose“ und warten
dort auf Mayan und Chantel. Am frühen Nach-
mittag höre ich unten leise Mayans Stimme:
„Stand”. Minuten später erklimmt sie die Fels-
kante, schafft aber auf demWeg zumBaum, dem
Endpunkt der Route, nicht mehr als ein paar Me-
ter auf einmal. Ganze 15 Minuten lang schleppen
sich die beiden die Dachkante von El Cap hoch.
Von unten sagt Chantel: „Tut mir leid, ich hatte
einen Krampf in den Händen.” Mayan ist barfuß,
sichtlich durstig und von der Hitze ausgelaugt.
Die Sonne brennt auf die goldenen Felsen. Kurz
danach erreichen die beiden den Baum und Ma-
yan blickt auf ihre Uhr. Es ist
14:29 Uhr
, sie haben
den Rekord um neun Minuten auf eine Zeit von
10:10 verbessert. „Yeah! Wir haben den Rekord!”,
sagen sie gleichzeitig. „Es ist toll, dir beim
Klettern zuzuschauen”, sagt Chantel. „Wenn
wir früher anfangen und die Sonne vermeiden,
können wir locker zwei Stunden sparen”, sagt
Mayan. Während sie trinkt, erinnert sie sich an
die fünf Teams, die sie überholen mussten. „Ich
würde es gerne in acht Stunden schaffen und
dann die Doppelbegehung machen.” Zurück in
Curry Village frage ich die beiden am nächsten
Tag, warum sie speedklettern. Sie lachen und
sagen, dass es eigentlich völlig sinnlos sei. „Es
macht süchtig, sich immer wieder über so große
Wände zu bewegen”, sagt Mayan später. Hans
Florine und Bill Wright schreiben in ihrem Buch
„Speed Climbing”: „Es ist die Freude an un-
eingeschränkter Bewegungsfreiheit, wenn man
dank eingesparter Ausrüstung schnell voran-
kommt.”
Es macht
sü
ch
tig,
sich immer wieder über so große
Wände zu bewegen