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Wegbereiter der Caritas
2013
Die Geschichte von carla ist eng mit dem Namen von
Angie Löschner verbunden. „Anfang der 90-er-Jahre
türmten sich vor dem Caritas-Büro immer wieder
Kleider- und Möbelspenden. Wir wollten nach gut
funktionierenden Modellen in Salzburg und Linz ein
eigenes Second-Hand-Geschäft in Vorarlberg aufbau-
en.“ Am 29. November 1991 war es dann soweit: Das
kleine Team von carla Feldkirch konnte zur offiziellen
Eröffnung des Shops in der Liechtensteinerstraße
laden. „Wir haben damals die Kleiderspenden noch
in einer Garage sortiert.“ Neben langzeitarbeitslosen
Menschen kamen dabei immer wieder schwangere
Frauen ins Projekt, denen noch Arbeitszeit für einen
Karenzgeldbezug fehlte. „Das hat sich schnell herum-
gesprochen und wir konnten so vielen Frauen wirklich
helfen.“ Von Anfang an spielte freiwilliges Engage-
ment beim Aufbau eine große Rolle. „Es wurde viel
ehrenamtlich über die Zeitgrenzen hinaus gearbeitet“,
erinnert sich Angie Löschner. „Manchmal sind wir mit
unseren Waren auch direkt zu den Leuten hinaus und
haben beispielsweise an Flohmärkten teilgenommen.“
Was Angie Löschner betont, ist die gute Zusammen-
arbeit mit der Direktion. „Man hat uns da wirklich freie
Hand gelassen, wir hatten sehr viel Gestaltungsspiel-
raum. Peter Klinger und Elmar Simma setzten sehr viel
Vertrauen in uns.“ Nach carla Möbel entstand auch ein
eigenes Geschäft carla Leben, was sich allerdings als
Sackgasse erwies: „Der Verkauf von Bio-Lebensmitteln
ist sehr beratungsintensiv. Da hatten die langzeitar-
beitslosen Frauen nicht das entsprechende Know-How,
das hat nicht funktioniert.“
Ganz wichtig war für Angie Löschner, dass sie ihre
MitarbeiterInnen und KundInnen mit sehr viel Respekt
behandelt hat. „Ich habe meinem Team klar gemacht,
dass sie ein ganz wichtiges Zahnrad im Uhrwerk Cari-
tas sind. Dass dieses gut funktioniert, dafür braucht es
alle Einzelteile. Das war gut für ihr Selbstbewusstsein.“
Sie habe ihre MitarbeiterInnen nie von der Chef-
Perspektive aus sondern als Mensch gesehen. Auch
KundInnen wurden prinzipiell per „Sie“ angesprochen.
„Man darf die Menschen nicht in ihrem Stolz treffen,
das kränkt“, ist Angie Löschner überzeugt. Klar, dass
sie in ihrem Dienst unzählige Lebensgeschichten zu
hören bekam. „Manchmal auch wirklich tief traurige.“
Dieses offene Ohr haben „ihre“ MitarbeiterInnen und
KundInnen nie vergessen und so bekommt Angie
Löschner auch heute noch Weihnachtspost von ihnen.
Mit enormem Tatendrang, viel „Boaz“ und Optimismus legte
Angie Löschner
in
den 90-er-Jahren den Grundstein für die ersten Caritas-Läden. Die carla-Idee war
geboren. Was beim Aufbau nie zu kurz kam, war die Menschlichkeit.
„Anfangs noch in
der Garage sortiert“
Wegbereiter der Caritas
2013
1964 wurde so die „Beschützende Werkstätte“ in Blu-
denz als erste Einrichtung dieser Art im Land gegrün-
det.
„Wir müssen nicht zum Mond fliegen, sondern Werk-
stätten für die Behinderten gründen. Wir brauchen
keine Mondlandung, sondern die Liebe zu behinderten
Kindern.“ Alfred Simoni war immer schon ein Mann
der klaren Worte und leistete sehr viel Pionierarbeit für
den Fachbereich „Menschen mit Behinderung“, der
heuer sein 50-jähriges Bestehen feiern kann. „Ich will
mein Leben den Behinderten widmen“, schrieb Alfred
Simoni schon in seiner ersten Bewerbung für Ausbil-
dungslehrgänge in Wien.
Er erinnert sich noch gut an die Zeit, in der Kinder mit
Behinderungen im Turnsaal der Volksschule Bludenz-
Mitte unterrichtet wurden. Als erster Sonderschulleh-
rer (Detail: Die Ausbildung lautete damals Lehrer für
`schwachbefähigte Kinder´) im Land unterrichtete er
15 Schüler mit besonderem Förderbedarf. Die Pausen
wurden meist in den Unterrichtsräumen verbracht: „Die
Kinder wären auf dem Pausenhof zu sehr gehänselt
worden“, erzählt der zwischenzeitlich 85-jährige.
Ganz unter seinem Motto „Wenn die Zeit reif ist, kannst
du deine Ideen durchsetzen“, war es Alfred Simoni ein
Anliegen, seine SchulabgängerInnen nicht zurück in
die Familien zu schicken, sondern für sie das Angebot
einer sinnvollen Tagesstruktur zu schaffen. Was er dazu
brauchte, war ein Haus und einen Geldgeber. Nach-
dem das Bludenzer „Marienheim“ nach dem zweiten
Weltkrieg leer stand, fuhr Alfred Simoni zum damaligen
Caritasdirektor Msgr. Gerhard Podhradsky nach Feld-
kirch und überzeugte ihn davon, im Marienheim eine
Werkstätte für Menschen mit Behinderungen zu grün-
den. „Er hatte mir voll vertraut und ich hatte völlig freie
Hand“, erinnert sich Alfred Simoni an die Worte des
Caritasdirektors. Eine Köchin wurde eingestellt, ebenso
drei BetreuerInnen. Gemeinsam mit einem Mitarbeiter
des Arbeitsamtes wurde Heimarbeit organisiert: „Er
erzählte mir von einem Kurier, der Akten von Bludenz
nach Bregenz brachte und mit dem leeren Auto zurück-
fahre. Der Kurier brachte nun Heimarbeit von der Firma
Hirschmann aus Rankweil-Brederis nach Bludenz – so
erhielt die Werkstätte Schraubarbeiten, die die jungen
Mädchen und Burschen erledigen konnten.“
Die Arbeitsmöglichkeiten wurden nach und nach
erweitert, ein großes Ereignis war, als ein Webstuhl für
die Werkstätte gespendet wurde. Wichtiges Ziel Alfred
Simonis war auch, den Menschen mit Behinderung
elementare Dinge des Lebens zu lehren, beispielswei-
se einkaufen, Tischmanieren oder selbständig wohnen.
Dankbar ist Alfred Simoni seiner Familie, die ihn auf
dem Weg immer unterstützt hat. „Unerschütterlich
glaubte ich an meine Lebensaufgabe, durch Arbeit
und Ausbildung in Werkstätten den behinderten Ju-
gendlichen eine gesellschaftliche Integration ermögli-
chen zu können. Die Hälfte des Erfolgs gebührt meiner
Frau.“
* Mag. Verena Pribil-Simoni, Tochter von Alfred Simoni, hat in einer Seminar-
arbeit den beruflichen Werdegang ihres Vaters zusammengefasst.
Wie können Menschen mit Beeinträchtigungen nach ihrem Schulabschluss ihren
(Arbeits-)Alltag sinnvoll gestalten? Der frühere Sonderschuldirektor
Alfred Simoni
suchte mit unermüdlichem Einsatz neue Wege.
Pionierarbeit für Menschen
mit Behinderung