18 NATURFREUND
THEMEN & STORYS
N
ach vielen Jahren gönnte ich mir in
Filzmoos wieder eine Ballonfahrt.
Im Anschluss daran fiel das elekt-
risierende Zauberwort „Alpenüberquerung“.
Mit einem Heißluftballon? Sie ist aber nur
zwei bis vier Mal pro Jahr im Winter möglich
− bei einer ausreichend zügigen Höhenströ-
mung nach einem Kaltfrontdurchgang und
Nordföhn. Ich meldete mich an, und schon
zwei Tage später bekam ich den Anruf, dass
in drei Tagen eine entsprechende Wetterla-
ge zu erwarten sei. Ich packte die einmalige
Chance beim Schopf und sagte zu. Zwei Tage
später war ich bei dichtestem Schneegestöber
in Filzmoos, und am nächsten Morgen ging
es bei ebenfalls noch starkem Schneetreiben
nach St. Johann in Tirol.
Ich hätte nie gedacht, dass bei solch einem
Wetter eine Ballonfahrt möglich sein könnte.
Doch ich vertraute Peter Flaggl, dem Chef des
Ballonunternehmens, und auf seine Künste
der perfekten Beurteilung der Witterungsla-
ge. Unser Pilot Werner Schrank prüfte noch
während der Anreise die letzten Windprog-
nosen und versicherte uns, es würde in zwei
Stunden passen. Die Wetterdaten von Austro
Control zeigten nachträglich, dass wir exakt
im einzig möglichen Zeitraum unterwegs wa-
ren, weder vorher noch etwas später wäre es
machbar gewesen.
Bei leichtem Schneefall halfen wir beim
Aufrüsten des ca. 20 m hohen Ballons.
Schließlich waren alle fünf Heißluftballone
startklar. Es starten meist mehrere Ballone in
einem Schwarm, da diese bei der Flugsiche-
rung in Österreich und Italien angemeldet
werden müssen. Die Piloten müssen laufend
ihre Position durchgeben, damit der Luft-
raum für Flugzeuge gesperrt werden kann.
Ein kurzer Funkspruch aller Piloten, und los
ging es! Da wir rasch auf ca. 5000 m aufstei-
gen wollten, mussten wir bereits ab dem Start
Sauerstoff nehmen. Bald tauchten wir in die
Wolkenschicht ein. Hätten wir nicht gewusst,
dass Werner Österreich bei der Ballonfahrer-
WM vertreten würde, wäre uns bei dieser
Fahrt durch die Wolken ziem-
lich mulmig gewesen. Trotz
wärmster Bekleidung war es
eiskalt. Nach einiger Zeit das
unglaubliche Ereignis: Wir
durchstießen die Wolkendecke und schweb-
ten im absolut blauen Himmel, unter uns ein
schier endloses Wolkenmeer, aus dem nach-
einander die anderen Ballone emporstiegen.
Bei diesem Anblick herrschte Euphorie im
Korb. Als wir dann am Horizont auch noch
den Großglockner erkannten, wurde die Si-
tuation noch unglaublicher. Durch die Son-
neneinstrahlung und die Windstille im Korb,
da wir uns ja mit demWind bewegten, wurde
es trotz der minus 20° C fast angenehm. Die
Höhenströmung trieb uns direkt zum Groß-
glockner, und wir fuhren bald darauf 2300
m über der Rudolfshütte, mit phantastischen
Ausblicken auf den sturmumtosten Glockner,
die Pasterze, den Johannisberg, Eiskögele,
Hohe Riffl, Wiesbachhorn und Hocheiser,
die aus dem Nordstau ragten. Südlich davon
hatten wir freie Sicht auf die Landschaft unter
uns. Die Blicke schweiften nun den ganzen
Alpenbogen nach Westen entlang. Vor uns la-
gen die Dolomiten, sogar ein kurzer Blick auf
die Drei Zinnen war uns vergönnt. Wir sahen
nun, wie die einzelnen Gebirgsgruppen zuei-
nander stehen, der Überblick war gigantisch.
Weiter ging es über Kals, Lienz, Obertilliach,
und am Horizont leuchtete bereits die Adria.
Auch die Südalpen hatten durch die Kaltfront
ALFRED LEITGEB
Alfred ist seit mehr als 40 Jahren ein wertvolles Mitglied der „Naturfreund“-Redaktion
und bereichert das Magazin immer wieder mit seinen tollen Fotos. Als langjähriger Abtei-
lungsleiter für Bergsport liegt ihm beim Sport am Berg vor allem das Thema Sicherheit am
Herzen. Abbildungen, auf denen beispielsweise ein nicht mehr dem aktuellen Standard
entsprechender Klettergurt oder ein sonstiger Ausrüstungsmangel zu sehen ist, werden
von ihm umgehend aussortiert.
Die Redaktion möchte die Gelegenheit nutzen und sich an dieser Stelle für die gute
Zusammenarbeit, den fachkundigen Input und die kritischen Aspekte, die Alfred immer
wieder einbringt, herzlich bedanken.